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Gibt es die eine wahre Liebe?

Bin ich verliebt?

Ist Liebe ein Gefühl?

Liebst du mich?

Kann ich nur einen Menschen lieben?

Endet Liebe mit dem Tod?

Liebe ich dich?

Verliebst du dich in Menschen, oder in das Konzept des Verliebtseins?

Was ist Liebe für dich?

Antworten aus Bern, 2017

Bin ich dir genug?

Beherrschst du die Liebe, oder sie dich?

Wie äussert sich Liebe?

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läbä wini wot - skilla & lillil

 

„wöu iz chani näbä dir nüm schnufä

schänkä dr mini Luft 

mis Bluet wosch du sufä

abr i liäbä di Duft

u we du da bisch 

de läbi nur fr di

obwou i säubr gnue Grund 

zum läbä söt si” 

Liebe ist ein kaum greifbares, unendlich grosses Konzept. 

 

Aber wo kommt sie eigentlich her, die Idee der Liebe, der wir heute folgen?

 

Die Menschen waren wohl schon immer fasziniert davon: das erste Liebesgedicht ist circa 2000 Jahre vor der Geburt Christi datiert, und Liebesmythen ziehen sich durch die ganze Menschheitsgeschichte, wie ein roter Faden – Cleopatra und Marcus Antonius, Orpheus and Eurydike, Tristan und Isolde, Romeo und Julia, Elizabeth und Darcy, Bonnie und Clyde und irgendwann Jack und Rose, Bella und Edward, Anastasia Steele und Christian Grey. Die Schöne und das Biest. 

 

Mit dem selektiven Weitererzählen von Liebesgeschichten, beeinflusst von Christentum, Prüdheit, falschen wissenschaftlichen Annahmen und patriarchalen Herrschaftsstrukturen, wurde schliesslich das westliche Bild von “Liebe” geformt, welches uns heute beigebracht wird: Hingabe und Zweisamkeit, Mann* und Frau*, zu zweit für immer. Liebe wird auf Romantik reduziert – es geht um Treue und Ehe und Monogamie, um die eine Beziehung, die grosse Liebe, welche in allen Medien als die universelle Lösung für all unsere Probleme dargestellt wird, die Rettung, das Ende einer langen Suche. 

Nie mehr allein.

Wieso sind wir für dieses Ideal so anfällig? 

 

Im Kapitalismus sind wir gezwungen, irgendwie Einkommen zu generieren, irgendwie eine Lebensgrundlage zu sichern, irgendwie weiterzumachen. Was, wenn ich plötzlich nichts mehr habe, was, wenn ich auf der Strasse lande? Wir suchen ständig nach Sicherheit, denn wir fürchten uns davor, nichts mehr zu haben. Im Kapitalismus gibt es keine Garantie, dass für einem gesorgt wird. Wer ein schönes  Leben will, muss entweder reich geboren sein, oder Leistung erbringen. Aus der Angst dieser Forderung nach Leistung nicht für immer gerecht werden zu können entsteht in uns das Bedürfnis nach einer anderen Quelle der Sicherheit. Wir wollen eine feste Bindung, eine Ehe, eine Garantie, wir wollen, dass sich jemand vertraglich an uns bindet, sich dazu verpflichtet, immer für uns da zu sein. 

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Heute sehen wir Liebe als quantitative Einheit, etwas messbares,  endliches, etwas, wofür bestimmte Kategorien erfüllt sein müssen und vorgebaute Regeln gelten. Es gibt ein Ideal, ein “relationship Goals”: zwei Menschen, die nur einander brauchen, sich alles geben, alles füreinander tun, die Welt um sich herum vergessen, I only see you, I only need you, you’re my everything. Die prädestinierte Seelenverwandtschaft als ultimatives Glück: wir sind berauscht von der Idee, das schon bei unserer Geburt ein Mensch für uns vorbestimmt ist, über alle Leben und Dimensionen hinweg.

 

„Jeder von uns ist also ein Stück von einem Menschen, da wir ja zerschnitten, wie die Schollen, aus einem zwei geworden sind. Also sucht nun immer jedes sein anderes Stück”

 

sagt schon Aristophanes in Platon’s “Symposion” – die Suche nach deiner anderen Hälfte. 

In dieser Art von Liebe verlieren wir uns selbst. 

 

Wir verlieren unsere Selbstständigkeit, geben unsere Verantwortung über uns selbst ab: ein*e Andere*r soll uns heilen, uns lieben, uns komplett machen. Statt selbst das zu werden, was wir brauchen, was wir wollen, Suchen wir Erfüllung in einem perfekten Gegenüber, welches nicht existiert. Weil wir uns auf eine romantische Beziehung beschränken und diese allen anderen Beziehungen überordnen, wünschen wir uns eine*n Partner*in, der*die biegsam wie Knete ist, sich all unseren sich widersprechenden und ständig wandelnden Bedürfnissen anpassen kann. Wir wünschen uns ein Gegenüber, dass all unsere Bedürfnisse befriedigt. 

 

Sex wird untrennbar mit Liebe verbunden und in eine enge, heteronormative Definition gesperrt – Sex heisst Penetration und wird als integraler Bestandteil einer “erfolgreichen” Beziehung dargestellt. Wer Sex ausserhalb oder nicht mit dem Ziel einer monogamen Zweierbeziehung praktiziert, wird abgewertet, und ein Beziehung, in der die Partner*innen keinen Sex miteinander haben, wird als Freundschaft kategorisiert.

"Cause I know that he knows I'm unfaithful and it kills him inside

To know that I am happy with some other guy
I can see him dying
I don't wanna do this anymore
I don't wanna be the reason why

Every time I walk out the door
I see him die a little more inside

I don't wanna hurt him anymore
I don't wanna take away his life
I don't wanna be...
A murderer
Our love, his trust
I might as well take a gun and put it to his head, get it over with" (Rihanna, Unfaithful)

Wie du mir, so ich dir

 

Beziehungen werden mit Verpflichtungen gefüllt, mit Erwartungen und Schuld. Wenn ich für dich da bin, wenn du traurig bist, dann musst auch du für mich da sein, wenn ich traurig bin. Wenn du mir nicht sofort zurückschreibst, warte ich auch länger damit meine Antwort abzusenden. Es wird erwartet, dass zwei Menschen in einer Beziehung genau gleich viel geben und nehmen. Das Gleichgewicht des Tausches muss stimmen, sonst sei es unfair.

 

Damit werden Interaktionen einerseits künstlich in einen gebenden und einen nehmenden Part unterteilt und es wird davon ausgegangen, dass jede Person gleich viel leisten kann, was eine Illusion ist. Wenn eine Person weniger gibt, also leistet, wird dies als ein Zeichen schwächerer Liebe verstanden.

 

Wer mehr nehme, sei schuldig und wer mehr gebe, habe das Recht zu fordern.

So entstehen zwei Rollen, zwischen denen wir, je nach Beziehung, ständig wechseln oder uns darin gefangen fühlen. Die Rolle der gebenden Person und die Rolle der nehmenden Person. Im heteronormativen Beziehungsmodell, in dem die zwei Personen sich gegensätzlich verhalten, passiert es oft, dass eine Person in der gebenden Position verharrt und die andere in der nehmenden. Beide Rollen können positiv oder negativ konnotiert werden. Die gebende als aufdringlich, aber auch als gütig. Die nehmende als lieblos, aber auch als interessant. Zwischen diesen zwei Polen kann eine sehr ungesunde Spannung entstehen. Es kann zum Beispiel in der Beziehung eine der beiden Rollen aufgewertet werden, so dass dann beide dauernd versuchen in dieser Rolle zu sein.

Es wird davon ausgegangen, dass immer nur eine Person die jeweilige Rolle haben kann und so entsteht eine Art Wettbewerb.

 

Wenn die gebende Rolle höher gewertet wird, kann sich das darin äussern, dass sich beide dauernd beweisen wollen, dass sie die Person sind, die mehr liebt. “Ich liebe dich mehr.”, “Nein, ich liebe dich viel mehr.” “Nein, ich dich.”

 

Wenn die nehmende Rolle höher gewertet wird, tendieren beide dazu sich zu ignorieren, sich nicht beieinander zu melden, obwohl sie das eigentlich wollen würden. 

“Hold me, wrap me up

Enfold me, I am small

And needy, warm me up

And breathe me”

(Sia, breathe me)

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“you got me scattered in pieces

 shining like stars and screaming

lightning me up like Venus 

but then you disappear and make me wait 

and every second’s like torture

hell over trip, no more so

Finding a way to let go 

Baby, Baby, no I can’t escape“

(Selena Gomez, the heart wants what it wants, 2014)

I love you more than I love myself

 

Wir sehnen uns danach geliebt zu werden, um so mehr, wenn wir uns selbst nicht lieben. Unser*e Partner*in soll diese Leere in uns füllen, unser Herz und uns ganz machen. Diese unerfüllbare Erwartung schadet nicht nur dem Gegenüber, sondern auch uns selbst – unter dem ständigen Druck, alles für jemanden zu sein, vergessen wir uns selbst. Wir fragen uns nicht, was wir selbst wollen, sondern nur noch, was unser*e Partner*in von uns will. So verlernen wir unsere eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, auszudrücken und zu befriedigen. Auch unser Gegenüber formuliert seine Bedürfnisse nicht, sondern versucht zu erahnen, was wir von ihm wollen. Beziehungen werden so durch gesellschaftlich konstruierte Verpflichtungen, statt durch ehrliche Kommunikation über die eigenen Bedürfnisse, geprägt.

 

Es entstehen so toxische Beziehungen, die nie den in den Medien vorgegebenen Träumen entsprechen. Entgegen der Erwartungen löscht eine Liebesbeziehung nie all unsere Probleme aus, die Trauer ist immer noch da, der Stress, der Druck, oft reproduziert sie diese sogar. Verlustängste und Minderwertigkeitskomplexe quälen uns – bin ich gut genug für ihn*sie, mag er*sie mich noch, was kann ich tun, damit er*sie bei mir bleibt, damit er zu mir kommt? Wir trauen uns nicht mehr, unsere  Bedürfnisse auszusprechen, sei dies als Bitte, oder als klares “Nein, dass will ich nicht.” - Aus Angst vor Ablehnung, Angst alleine zu sein. Was in Geschichten als Hingabe dargestellt wird, ist plötzlich Abhängigkeit, Anhänglichkeit, was wie Treue aussah ist plötzlich Obsession, Zwang sexuelle Bedürfnisse ausserhalb der Paarbeziehung zu unterdrücken oder im Geheimen auszuleben. Das Beschützerische wird besitzend. Und all das wird trotzdem noch als Romantik gezeigt, als begehrenswert. 

 

In “Twilight” bricht Edward nachts in Bellas Zimmer ein, sieht ihr beim schlafen zu, verfolgt sie, versucht wortwörtlich, ihre Gedanken zu lesen, in “Romeo und Julia” töten sich die Protagonist*innen selbst aus Trauer um den Verlust des*r Geliebten, in “Fifty Shades of Grey” fehlt jeglicher Konsens. 

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[Jacob] laughed. “I forgive you. Just try not to get too mad at me. Because I recently decided that I’m not giving up. There really is something irresistible about a lost cause.”

“Jacob.”

I stared into his dark eyes, trying to make him take me seriously. “I love [Edward], Jacob. He’s my whole life.“

“You love me, too,” he reminded me. He held up his hand when I started to protest. “Not the same way, I know. But he’s not your whole life, either. Maybe he was once, but he left. (…)”

I shook my head. “You’re impossible.”

Suddenly, he was serious. He took my chin in his hand, holding it firmly so that I couldn’t look away from his intent gaze.

“Until your heart stops beating, Bella,” he said. “I’ll be here — fighting. Don’t forget that you have options.” (Twilight von Stephanie Meyer, 2007, S.330) 

 

Die idealisierte monogame Zweierbeziehung entspricht der Kapitalistischen Marktlogik in vielerlei Hinsicht.

 

Einerseits in der schon vorher erläuterten Tauschlogik, in der für jedes Geben eine Gegenleistung gefordert wird. 

Andererseits, in der Ideologie, dass das was uns glücklich macht, von aussen kommen muss. Dass also Konsumgüter und eben auch Liebe als Objekt, was uns von aussen gegeben wird, fürs Gllücklichsein nötig sind. Ein liebendes Verhältnis zum Selbst spielt in dieser Logik keine Rolle. Erfüllung wird vom Aussen erwartet.

Drittes wird nicht nur die Liebe des Selbst und des Gegenübers zur Ware, sondern auch die Menschen an sich. Ich gehöre dir. Du gehörst mir. Der kapitalistische Privatbesitz wird hier also im Besitzen des Gegenübers auf die Spitze getrieben.

 

Viertens entsteht durch die Unfähigkeit der Paarbeziehung, so zu funktionieren wie erhofft, also ewig zu sein,  ein Markt mit dem sich Geld machen lässt. Die Norm vermittelt, dass ein*e Partner*in fürs glücklich leben nötig ist. Wenn du also keine Paarbeziehung hast, oder sie eben nicht idealtypisch abläuft, so kaufst du dir Ratgeber, gehts zum Datingcoach oder schaust Filme in denen es ein Happyend mit Hochzeit gibt. 

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